Mittwoch, November 08, 2006

Ueber Rahmenbedingungen, Raeuber & Henry Maske, Masterplaene & Maniok fuer alle!!!

Es ist wieder einmal Zeit ein paar Dinge in einen dieser urzeitlichen Computer zu hacken, um Dich lieber Leser darueber zu informieren, was dieser Tage hier so von statten geht.

Wie immer sind die unterstrichenen Woerter zeitgleich Fotolinks!

Ein kleiner Nachtrag an dieser Stelle zum letzten Blogeintrag. Das mit den zwei Draehten und der Klimaanlage sieht nach 4 Wochen schweisstreibender Arbeit im Ergebnis dann so aus.

Zunaechst moechte ich der Bitte einiger Leute nachkommen auch mal etwas ueber die profaneren Dinge wie Nahrung, Wohnsituation, Wetter, Malaria etc. zu berichten.

Ich wohne in einem Haus. Wer haette das gedacht. Das Haus gehoert der Familie Nkunika. Maria Nkunika – sozusagen die “Mutti” - ist 65 Jahre alt und gleichzeitig auch Executive Coordinator und Gruenderin der Steadfast Action Foundation, der NGO in der ich mein Praktikum mache. Sie ist im Grunde genommen wie man sich eine Frau in diesem Alter vorstellt. Sie vergisst ab und an (naja eigentlich ziemlich oft) Sachen und verlegt staendig ihre Brille oder ihr Handy. Billy Nkunika ist der “Papa” und arbeitet an der Uni als Dozent fuer Massenkommunikation. Seine Hobbies lassen sich ziemlich exakt mit Dartspielen und mit einem Gewehr durch den Garten rennen, um Voegel zu erschiessen, beschreiben. Die Voegel werden dann gerupft und am Ende bleibt ein Stueck Fleisch uebrig, was so gross ist wie eine Kiwi aber aussieht wie ein Foetus. Dann sind da noch Andrew und Cyril. Andrew ist der 28-jaehrige Sohn. Er hat seinen Bachelor in Jura gemacht und arbeitet jetzt fuer das zambische Justizministerium. Cyril ist der Neffe von Mrs. Nkunika, ist ebenfalls 28 und ist bei den Nkunikas aufgewachsen. Er ist Lehrer fuer Geschichte und Geographie aber seit seinem Abschluss arbeitslos, da die Regierung nur aller Jubeljahre neue Lehrer einstellt. Das heisst fuer ihn eine ungewisse Zukunft und warten, warten und nochmals warten. Er gibt ab und an ein paar Stunden in einer Privatschule, um seinen Lebenslauf am Laufen zu halten im wahrsten Sinne des Wortes.

Ich habe ein eigenes Zimmer, dessen Waende rosa gestrichen sind. Die Nkunikas haben naemlich noch eine Tochter, die aber in England lebt und arbeitet, und sie ist sozusagen fuer dieses Verbrechen an mir verantwortlich. Aber man ist da ja auch meistens zum schlafen und macht die Augen zu.

Das Essen bereitet mir keinerlei Probleme. Es gibt oft Nshima. Das ist ein Maisbrei. Ausserdem mit Karotten, Bohnen, Spinat, Kohl und Wurzeln (hab vergessen wie die heissen) auch oft Gemuese. Das Wasser wird abgekocht und riecht etwas komisch ab und an hat aber auch noch keine Probleme bereitet.

Da wir uns hier kurz vor dem Einsetzen der Regenzeit im Jahreskalender befinden, kratzt die Hoechsttemperatur bestaendig an der 40Grad Marke. Gerade zwischen 11.00 und 15.00 kann man nur schauen, dass man nicht unbedingt raus muss. Ein paar Gewitter gab es schon. Die sind meist sehr kurz aber intensiv. Ab Mitte/Ende des Monats wird es dann richtig losgehen und mehrmals am Tag heftig regnen.

Die Muecken und die damit verbundene Malaria macht ebenfalls keinerlei Probleme. Moskitonetz, Autan und Malariaprophylaxe sei Dank. Ich bin auch seit meiner Ankunft hier erst einmal von einer Muecke gestochen worden. Ich glaube die haben Angst vorm weissen Mann...

Letzte Woche hatte ich dann auch meine erste Begegnung mit einem Dieb - Der wollte meine Geldboerse ist aber etwas zu spaet aufgestanden...

Ich bin vom Buero in der Innenstadt in der Mittagspause los und die Cairo Rd. runter (das ist die grosse Geschaeftsstrasse Lusakas), um mir was zu essen zu holen. Um die Mittagszeit ist die Innenstadt vollgestopft mit Menschen und auf dem Fussweg ist es eher eine grosse zappelnde Masse, die sich voranschiebt, als dass man von vielen sich in unterschiedliche Richtungen bewegenden Individuen sprechen koennte. In dieser Menschenmenge trat mir jemand auf den Fuss waehrend auf dem MP3-Player gerade Neko Case lief. Da es sich nicht gehoert auch nur eine Sekunde der Stimmgewalt der guten Neko zu entsagen, machte ich nur eine Handbewegung die “it’s allright” suggerieren sollte und ging ohne mich ueberhaupt umzusehen, wer mir da auf den Fuss getreten war, weiter. Nach dem Ueberqueren einer Seitenstrasse und sich anknuepfenden 50m Fussweg trat mir erneut jemand auf den Fuss. Die letzten Akkorde des Lieds verhallten just in dem Moment und ich nahm die Ohrstoepsel heraus, da jemand meinen Arm nahm, um sich heftigst bei mir zu entschuldigen und mir genau zu zeigen wie es dazu kam, dass er versehentlich auf meinen Fuss getreten ist. Ich dachte nur:”Ist ja gut. Mach Dich mal locker. Der Fuss ist ja noch dran.” Ich stutzte als die ganze Sache aber nach 4-5 Saetzen immernoch andauerte und der junge Mann weiter keine Anstalten machte von mir abzulassen. Irgendwas stimmt nicht dachte ich. Und bis dahin sind bestimmt 30-40 Sekunden vergangen. Im Handumdrehen konzentrierte ich mich auf seine Haende, die dann irgendwie an meiner Brieftasche Halt machten und keine Ahnung warum aber ich war so perplex, dass ich sie ihn erstmal nehmen liess, um ihm im gleichen Augenblick eine (und Henry Maske waere stolz auf mich gewesen) nunja einzuklinken. Dann war er perplex und ich nahm mein Geldbeutelchen aus seiner Hand und sagte: “That’s mine.” Drehte mich um und ging. Die ganze Sache ist natuerlich von den anderen Passanten nicht unbeaeugt geblieben.

Die Sache ist die, dass die Zivilcourage eine Selbstverstaendlichkeit in diesem Land ist. Soll heissen dem Dieb waere es nicht moeglich gewesen einfach blitzschnell – nennen wir es mal die italienische Variante – meine Brieftasche zu nehmen und wegzurennen. Ich haette gerufen “Ein Dieb” und es haetten sich sehr viele Menschen an die Verfolgung gemacht. Ich hab mir sagen lassen, dass Taschendiebe sogar schon umgebracht worden sind auf offener Strasse – aber nicht vom Bestohlenen – sondern von Passanten, die die Sache beobachtet hatten und den Uebeltaeter dann verfolgten.

Irgendwie war ich nach dieser Geschichte froh, dass ich es hinter mir hatte. Immerhin war das eine Sache, die ich im Vorfeld meiner Reise als gesetzt genommen habe. Nun hat es aber doch 7 Wochen gedauert bis es das erste Mal passierte und das lag im Wesentlichen an meiner eigenen Trottligkeit. Als ich hier ankam habe ich meine Brieftasche immer schoen versteckt getragen und nicht wie zu Hause in der Arschtasche. Aber nach 7 Wochen und nachdem ich den Weg schon X-Mal gegangen bin und man ja auch anfaengt sich sicher zu fuehlen und meint sich ganz gut eingelebt zu haben, bewegt man sich eben auch so. Ab diesem Tag also der Geldbeutel wieder an einem sicheren Ort.

Sonst sind die Tage hier erfuellt von vielen Kleinigkeiten. Ich habe im Buero (im uebrigen ist das der Blick aus dem Fenster) alle Kisten ausgepackt und ein wenig fuer Ordnung gesorgt. Soll heissen sie sitzt vor vielen Haufen Papier, die sich die letzten Jahre angesammelt haben und nun ordentlich in Ordner geheftet werden oder wahlweise auch zur Entsorgung frei gegeben werden. Ich habe alle Broschueren und Buecher geordnet nach Themengebieten und alles katalogisiert. Jetzt fehlt nur ein Schrank, um all das auch adequat einzuraeumen und fuer die Aussenwelt somit zugaengig zu machen. Die Steadfast Action Foundation ist Teil einer Verbindung die Studenten der University of Zambia hier in Lusaka die Moeglichkeit gibt ihre “Bibliothek” fuer Recherchen zu nutzen. Das war aber bis jetzt nicht moeglich, da alles ungeordnet auf Haufen lag und wenn man gezielt nach etwas suchen wollte, damit den halben Tag verbrachte. Einen “Arbeitsplatz” habe ich mir auch gebastelt, die Gardinen (die fuer das alte Buero zugeschnitten worden und somit nunja sagen wir mal nicht 100% passen) aufgehangen und auch einige der Schautafeln installiert etc.pp.

Dann gibt es auch immer wieder das eine oder andere “Meeting” und so hatte ich die Gelegenheit die letzten Tage einen Konvent sowie das SOS Kinderdorf zu besuchen und einem Meeting mit Weltbank-Angestellten beizuwohnen. Der Feind steckt im Schafsfell und ich bin immernoch am ueberlegen was ich von diesem Treffen halten soll. Unausgegorene Gedanken gehoeren aber nicht in einen Blog.

Der Masterplan fuer die naechsten 2 Wochen steht auch und ich hoffe dass trotz polychronischem Zeitsystem auch alles so umgesetzt werden wird. Am uebernaechsten Wochenende werde ich mit Cyril (Neffe) in den South Luanga National Park an der Grenze zu Malawi fahren und einen auf Safaritourist machen. Dort wohnen all die wilden Tiere, die man ja wohl mal gesehen haben muss. Ich hoffe also auf Loewen, Giraffen, Zebras und Nilpferde. Nach meiner Rueckkehr bleiben dann 4 Tage, um alles in soweit zu organisieren, dass ich auf meine Reise gehen kann. Visas, Bustickets, Paket nach Hause schicken (denn es hat sich das eine oder andere Souvenir angehaeuft – fuer Tom und Tobi – ich hab eine original LIKISHI erstanden – das ist eine Maske fuer den Initiationsritus bei Jungen der Ethnie der Chokwe, die im Nordwesten Zambias, Nordosten Angolas und Suedosten der Demokratischen Republik Kongo leben)

Wir werden dann in die Suedprovinz Zambias fahren, um den Farmern das Maniok zu bringen (dazu gleich noch mehr). Das wird eine Woche dauern mit Transport, Uebergabe etc. Dann hoffe ich, dass wir die Zeit finden werden noch ein paar Dinge dort zu sehen. Beim letzten Mal war der Chief der Tonga von dem District ja leider ausser Palace (ausser Haus quasi) und ich wuerde den schon gern treffen wollen. Es wird auch ein Meeting geben von “HIV/AIDS affected people of Chisekesi Community” – soll heissen Familien, die besonders von HIV/AIDS in Form von Waisenkindern, zu wenig Arbeitskraeften etc. betroffen sind, treffen sich, um Projekte, moegliche Foerderungen und Vernetzungen zu besprechen. Das wird sicher spannend. Bis dato ist die ganze HIV/AIDS-Sache fuer mich relativ unsichtbar geblieben. Ich habe viel gelesen und gehoert aber beim letzten Besuch in der Suedprovinz war der Zeitplan so eng gesteckt mit dem Workshop und dem Augenmerk auf den “income generating activities through alternative agricultural smallholder markets” – also die Schaffung von Einkommensmoeglichkeiten fuer Kleinbauern durch alternative Anbaumethoden – dass diese Sache dieses Mal mehr Gewicht bekommen soll.

Danach werde ich nicht nach Lusaka zurueckkehren, sondern ganz tief in den Sueden des Landes fahren, um in Livingstone und bei den Victoria Falls halt zu machen. Von da aus geht es dann ueber Botswana weiter nach Namibia, um zwischen Reit-Farm (jaja ich freu mich sooo – Marlboro-Mann-Feeling und so), Etosha Pfanne, Waterberg National Park und Atlantikkueste den einen oder anderen Stopp einzulegen. Mal sehen wie sich das alles in Abhaengigkeit von dem chaotischen Bus- und Bahnsystem umsetzen laesst und ob mein Zeitplan (2 Woerter, die sich bekanntermassen aus meiner Erfahrung heraus, im Kontext zueinander ausschliessen) aufgeht.

Was die ganze Maniok-Spendenaktion angeht.

Ich bin baff. Absolut baff. Eine ganze Reihe von Privatpersonen und Institutionen haben mehr Geld gespendet als ich jemals gedacht haette, dass es sich in dieser kurzen Zeit auftreiben laesst. Soll heissen DIE GANZE AKTION KANN STATTFINDEN. Nach Kassensturz heute Morgen belaeuft sich die GESAMTSUMME auf 1560Euro.

Es ist unfassbar!

Letzten Samstag bin ich in den Norden Zambias in den Copperbelt an der Grenze zum Kongo gefahren, da es dort billig Maniok-Senker zu kaufen gibt. Im Sueden des Landes kostet er das fuenffache, weil es eben nicht so viel davon gibt. Ich dachte anfangs schon, dass das allen Spendern und mir einen Strich durch die Rechnung macht und ich das teure Saatgut im Sueden kaufen muss und im Endeffekt nicht so viel Maniok bei den Farmern ankommt wie urspruenglich geplant. Dadurch, dass aber mehr Geld zusammengekommen ist, als ich jemals zu traeumen gewagt haette, ist es moeglich den Transport vom Copperbelt in die Suedprovinz (ca. 400km) und trotzdem eine ausreichende Menge Maniok zu finanzieren. Die Farmer werden im Laufe dieser Woche informiert und werden bis Ende des Monats alles vorbereiten. Sie muessen die Flaeche auf der sie das Maniok anbauen werden einzaeunen, da die “heiligen Kuehe” sonst auch auf ihre Art und Weise Interesse an dem leckeren Maniok bekunden wuerden.

Fuer alle die gespendet haben sei hier gesagt, dass ihr alle einen Abschlussbericht ueber die genaue Verwendung des Geldes und den Gesamtablauf der Aktion erhalten werdet, sobald ich wieder in Deutschland bin. Schon jetzt ein grosses Dankeschoen an alle die gespendet, geholfen, geworben und unterstuetzt haben. Ich werde alles fotografisch festhalten, um Euch ein moeglichst genaues Bild von allen Schritten zeichnen zu koennen.

Allen Eingeweihten wuensche ich viel Spass beim Fliehende Stuerme und Samiam + The Draft Konzert in Leipzig. Eine Traene kullerte letzte Woche ueber meine Wange als ich erfuhr, dass der von mir hochgeschaetzte Morrissey im Dezember den Weg auf deutsche Buehnen finden wird... Darauf warte ich seit Jahren und die alte Diva kommt genau dann, wenn ich nicht da bin...tztztz – dem werd ich was erzaehlen, wenn ich wieder da bin...

Seid umarmt und wie immer gruesst mir den von mir vermissten Herbst.

Philipp