Dienstag, Oktober 31, 2006

Saufen & Kickern fuer den Weltfrieden

Ihr Lieben

Der gute Sebo hat eine Maniok-Soli-Party organisiert:
Datum: o4.11.2006 ab 19.00 Uhr

Ort: Leipzig/Café Cantona Windmühlenstraße (Genau an der Ecke zwischen Rossplatz und Bayrischen Bahnhof))Was?: Mucke mit a.L. and Friends, Kicker, Chill Out und dazu noch lustiges Gequatsche über Maniok und einem Hut für die benötigte Knete.

Wuerde mich freuen, wenn sich ganz viele da einfinden, um sozusagen dem Saufen fuer den Weltfrieden zu froehnen…

Donnerstag, Oktober 26, 2006

Polychronie vs. Monochronie oder die Geschichte von Philipp, der eine Lektion ueber zambisches Zeitmanagement & das “eins werden mit der Ruhe” erhielt

Es war eine ganze Weile ruhig im Tagebuch. Komischerweise lag das jetzt gar nicht so daran, dass ich zu viel zu tun gehabt haette - eher am Gegenteil und an der unheimlichen Verkettung kurioser Umstaende zum einen und der wesentlichsten sowie unerwartesten Erfahrung, die ich bisher als Hin-und-Her-Gerissener zwischen zwei Kulturkreisen gemacht habe. Aber der Reihe nach…

Wie immer die unterstrichenen Woerter sind gleichzeitig Fotolinks...

Die Woche nach meiner Rueckkehr aus der Suedprovinz ging sehr schnell vorbei. Es gab einige Wege gemeinsam mit der Gastmutti aka Chefin zu erledigen. Da ein Meeting, da eine Absprache, da ein Kaffeekraenzchen und hier eine gemeinsame Ueberlegung.

Bei meinem dritten Besuch in der Einwanderungsbehoerde hab ich dann auch tatsaechlich meinen Stempel bekommen fuer die noetige VISA-Verlaengerung. Beim ersten Mal wollten die Herren Immigration-Officer nicht so richtig, weil ich sie beim Kreuzwortraetseln gestoert habe, beim zweiten Mal (im Uebrigen der Tag an dem der gute Mann gesagt hat, dass ich wiederkommen soll) ging es auch nicht, weil es naemlich nicht GENAU der Tag war, der als letzter Tag auf dem alten VISA-Stempel ausgeschrieben war. Dumm nur, dass er mir das beim ersten Besuch gar nicht verraten hat. Beim dritten Besuch war dann alles ganz einfach. Lektion 1 sozusagen ueber Effizienz und Zeitmanagement. Mit dem Minibus dauerte es jeweils eine Stunde hin und zurueck und eine halbe Stunde wartete man – also 5 Stunden fuer die ersten beiden erfolglosen Versuche und 2 Stunden und ein paar Minuten fuer den dritten erfolgreichen VISA-Verlaengerungsversuch – macht nach Riese Adam 7 Stunden und Zerquetschte fuer einen Stempel. Beim ersten Mal habe ich mich sehr geaergert, beim zweiten Mal eigentlich schon fast gelacht und fuer meine erste Lektion war ich recht zufrieden mit der Reaktion meines eine rationale Lebensfuehrung verfolgenden Charakters. Aber die Lektionen sollten schwerer werden und Frodo befand sich noch ganz am Anfang seiner langen Reise durch ihr wisst schon. Golle war ihm dicht auf den Versen...


Die Woche ging dann schick weiter mit dem Besuch einer Karaoke-Bar, die einem durchgeknallten Maurizier gehoert, welcher – so vermute ich – eigentlich gerne Saenger geworden waere. Da das aber nicht geklappt hat, eroeffnete er ein Restaurant und baute da eine Karaokemaschine ein. Da Menschen, die in Restaurants gehen, meistens zumindest was essen und nicht singen wollen, ist die Buehne nicht so arg frequentiert. Aber unser verhindertes Gesangstalent ist stets praesent, um einem alles von Simon & Garfunkel bis „Country Roads“ vorzutragen. Das Essen war lecker und ich glaube wir haben alle Glueck gehabt, dass er ein Restaurant aufgemacht hat und nicht Saenger geworden ist. Ich sollte auch singen – wie im Ausland ueblich wird einem, wenn es um Musik geht vor dem Hintergrund, dass man aus Deutschland kommt, selbstredend promt ein SCORPIONS-Song vorgeschlagen... Nee lass mal... Ich hab dann wenigstens gedacht ich finde in dem annaehernd 1000 Lieder umfassenden Katalog etwas halbwegs auch fuer ein aehnlich grosses Gesangstalent wie mich passendes, aber da war nichts mit einer lauten Gitarre zu finden und haette ich ROXETTE oder PET SHOP BOYS gesungen, waere den Leuten wahrscheinlich das Essen aus dem Mund gefallen. Ich hab mich irgendwie erfolgreich darum druecken koennen... Uiuiuiui nochmal Glueck gehabt.

Der eigentlich fuer diese Woche auch vorgesehene Bueroumzug wurde dann das erste Mal verschoben. Dem Makler fehlte ein Dokument. Dass er deswegen mal anruft, damit wir ihm das zukommen lassen, nachdem er uns schon gesagt hat, dass wir zu einem bestimmten Termin einziehen koennen, hat er vergessen. Aber „Sorry Sir Sorry Mam - in einer Woche koennen Sie dann rein.“ Ich zwang mich zu laecheln.
Kurfassung: Wir zahlen also seit dem 1. Oktober Miete fuer ein Buero. Der Einzugstermin war fuer den 11.10. vorgesehen. Am 10.10. wurde uns mitgeteilt, dass da ein Dokument fehlt – Umzug verschoben auf den 18.10.
Meinetwegen kann ja mal passieren. Fuer mich war das dann etwas unguenstig, weil hier zu Hause am Kuechentisch laesst sich schwer abreiten. Es gibt nur einen PC und die ganzen Unterlagen sind ja in Kisten verpackt.... Ich machte mir also so meine Gedanken wie ich die Woche ueber die runden bekomme. Habe viele Sachen die Arbeit der NGO betreffend durchgeakert, hab mir das Nationalmuseum angesehen, hab Mrs. Nkunika auf eine Beerdigung begleitet und war beim Frisoer. Klingt spannend was?... Ja so war das.
Am 17.10. sind wir dann ins Buero gegangen, um zu schauen, ob alles in soweit vorbereitet ist, dass wir am naechsten Tag rein koennen. Wir kommen da also an und ich dachte nur noch „Philipp, ganz ruhig – das ist deine zweite Lektion – bleib ganz ruhig, tief einatmen, und ausatmen und wieder...“
Wir betraten das Buero. Immernoch kaputte Lampen, nicht funktionstuechtige Klimanlage, alter Teppich, dreckige Fenster so dass man nicht so wirklich was sehen kann (wir reden von der 8. Etage in einem Bueroturm, in dem sich die Fenster nicht oeffnen lassen) und ueber abgeknabberte Maiskolben in der Ecke schweigen wir uns mal aus. Es gab da wohl ein Missverstaendnis zwischen Maklerbuero und Hausverwaltung aber alles kein Problem. 2 Tage und dann ist das alles in Ordnung gebracht. Super und wunderbar noch zwei Tage rumhaengen bekomme ich ueber die Buehne gebracht und dann endlich...

Mrs. Nkunika meinte dann am Freitagmorgen sie muesse auf eine Beerdigung und wir ziehen deswegen erst Montag um. Was sein muss, muss sein und das leuchtete mir ein. (Die Beerdigungen gehen hier den ganzen Tag mit Gottesdienst, Beerdigung, gemeinsamen Essen und Versammeln im Haus des Verstorbenen).

Am Montag sind wir dann – WER WEISS ES??? WER WEISS ES??? Genau auch nicht umgezogen, weil es gab noch ne Beerdigung. Dumm gelaufen im doppelten Sinne. Dienstag geht nicht weil Unabhaengiglkeitstag. O.K. das macht Sinn. Also Mittwoch und dieses Mal – ich konnte es kaum glauben haben wir wirklich alle Kisten auf einen Pick-Up geladen und zum Bueroturm in der Innenstadt geschafft. Ich hab schnell die Schluessel bei der Hausverwaltung geholt und bin losgesprintet. Die Wartezeit fuer den Aufzug betraegt in ungefaehr so lange, wie wenn man in den 8. Stock einmal hoch und wieder runter den Weg durch das Treppenhaus nimmt. Ich war so froh, dass es endlich wieder etwas zu tun gab und zakk zakk zakk stand ich vor der Tuer. Mhm Tuerschloss immernoch kaputt. Haben sie bestimmt vergessen. Tuer geht auf. Ach die Maiskolben sind weg. Fein. Lichtschalter. Ui die Haelfte der Lampen geht immernoch nicht. Komisch. Tuer zum zweiten Raum wird voller Vorfreude geoeffnet. Fenster dreckig. Klimanalage tot. Lampen im Eimer. Teppich nicht ausgetauscht. 25 Tage und die haben nichts gemacht!!! Das alte Spiel: „Philipp, Einatmen und Ausatmen – ist alles nicht so schlimm. Machst Du alles selber ganz – Hauptsache was zu tun und endlich im Buero.“ Wozu der Elektriker!!!, der Zimmermann!!! und der Schlosser!!! sich beim letzten Besuch mit uns gemeinsam das Buero angesehen haben und fleissig an einer To-Do-Liste gearbeitet haben, weiss ich auch heute noch nicht. Heute morgen dann also hin, um zu beginnen alles einzurichten, zu reparieren und arbeitsplatztauglich zu machen. Mein Freund der Elektriker schaut mit seinem Lehrling und einem Mann, der auch wichtig ist vorbei... „Good Morning Sir, Good Morning Mam - How are you? A nice day, isn’t it?“... Mrs. Nkunika ist fuer zambische Verhaeltnisse ganz schoen aufbrausend geworden und hat geschimpft, dass das ja wohl alles nicht wahr sein kann.
Der Elektriker nimmt also die 2 Draehte die aus der Klimaanlage kommen und steckt sie in das, was mal eine Steckdose war und die Klimaanlage beginnt zu surren. Die Lampen so wird uns gesagt, seien in Eigenregie zu wechseln und der Teppich sei ja wohl noch in Ordnung... Have a nice day!
Als der Elektriker die 2 Draehte reingesteckt hatte und dieses Monster von Klimaanlage anfing zu surren – nach sozusagen 2 Sekunden koerperlicher Arbeit fuer den guten Mann von der Zunft der Elektronikfachleute konnte ich nicht anders und hab mich ohne Uebertreibung weggehauen vor lachen. Ich bin sogar rausgegangen. Sie haben mich alle ganz fragend angesehen. 25 Tage fuer 2 Draehte reinstecken... 2. Lektion erfolgreich hinter mich gebracht. Die Dritte wird nicht lange auf sich warten lassen.

Die entscheidende Erfahrung ist: Hier ist Zeit polychronisch wohingegen bei uns alles monochronisch ist. Das hab ich im Vorfeld zwar erahnt aber in der Auspraegung nie und nimmer erwarten koennen. Man muss aber lachen sonst wird das nix. Ich gebe, was das angeht, mein Bestes. Habe heute in 2 Stunden den Teppich gereinigt, das Klimaanlagenkabel in soweit fixiert, dass ich keine angst vor Kurzschluessen oder Funkenregen haben muss, die funktionsfaehigen Neonroehren so ausgetauscht, dass das mit dem Licht schon irgendwie geht und mit dem Taschenmesser aus dem Praktiker Baumarkt so lange am Schloss rumgefriemelt bis es funktioniert hat. Es ist alles eine Frage des sich Arrangierens. Jawohl! Und diejenigen unter Euch die mich gut kennen, koennen sich denken – warten, nichts tun, Ineffizienz in dieser Form... Philipp geht es dann ueberhaupt nicht gut. Aber seit heute alles gut und es geht wieder rund... so viel Zeit bleibt ja nicht mehr und ich will noch einiges anleiern auch um dann von Deutschland aus weiter aktiv bleiben zu koennen vor allem was die Gelderaquierung angeht.

So das mal wieder als kleine Anekdote hier aus Lusaka...
An dieser Stelle moechte ich mich erst einmal bei meiner Familie bedanken, die mich von zu Hause aus super unterstuetzen beim Sammeln des Geldes fuer das Maniok-Saatgut.
Ausserdem bei den vielen Leuten, die sich bei mir gemeldet haben, um die Sache mit einer Spende zu unterstuetzen. Nie und nimmer haette ich gedacht, dass das alles so fein anlaeuft und dass wir auf einem guten Weg sind das Geld wirklich in den verbleibenden 14 Tagen zusammen zu bekommen. Es fehlt aber noch ein gutes Suemmchen – von daher wenn noch jemand meint, die Sache unterstuetzen zu wollen einfach ne Email an mich schicken.

Mir bedeutet das sehr viel, dass es Leute gibt, die sich fuer diese Homepage interessieren und sogar bereit sind die Sache mit den Farmern und dem Maniok zu unterstuetzen. 1000x Danke! Ich werde hoffentlich Eure Spenden schon bald bei den Damen und Herren abgeben koennen– Daumen druecken!!!

Es wird sogar eine Soli-Maniok-Party in Leipzig geben und zwar am 04.11.2006 im Cafe Cantona. Naeheres folgt an dieser Stelle in Kuerze.

Es gab ausserdem einige Wuensche auch mal etwas ueber die profaneren Dinge wie Essen, Haus in dem ich wohne, zambische Bierflaschengroesse sowie Muecken und andere wilde Tiere zu berichten... Na ich werd mal losziehen und das auch alles fotografieren damit dann beim naechsten Eintrag wieder ordentlich Multimedia am Start ist.

Bei all der Warterei blieb aber noch genug Zeit dazwischen mal schnell auf dem Markt eine Ziege zu kaufen, die dann im Kofferraum des Familenautos als Hochzeitsgeschenk zu eben jener gebracht wurde... und dann waren da auch noch die Tochter und die Nichte von der Schwester der Verlobten meines Gastbruders namens Cheelwe und Nalishebo, die grosse Freude daran hatten meine Haare zu durchwuehlen (bzw. was nach dem Frisoerbesuch noch davon uebrig ist), meinen Nasenring fast aus der Verankerung zu reissen und mich auszulachen, weil ich den Maisbrei – Nshima – nicht mit den Haenden, sondern mit einer Gabel esse. Was sie zu der Aeusserung verleitete: „Mama! Mama! - Uncle Philipp eats his Nshima like Mr. Bean with a fork!“ Ich hab sooo gelacht mit dne beiden. Tja wenn der einzige importierte Mann, den die beiden vor mir kennengelernt haben, Mr. Bean heisst dann...

Viel Spass mit den Boxies am Wochenende!!!

PS: Wer mir noch schreiben will, sollte die Post bis zum 3.11./04.11. abgeschickt haben, sonst bekomme ich sie nicht mehr...

Mittwoch, Oktober 11, 2006

Kulturtheoretische Betrachtungen und Blood, Sweat & Tears

Einen Internetzugang in Ehren kann niemand verwehren und so habe ich mir heute frei genommen sozusagen, um der einen oder anderen Korrespondenz zu froehnen und meinen Blog auf Vordermann zu bringen. Es gibt sogar Fotos zu bestaunen - einfach auf die unterstrichenen und fett markierten Stellen im Text klicken...

Eine Woche Busch liegt hinter mir und es gibt so viel zu erzaehlen bezueglich der vielen Anekdoten, Erlebnisse und Beobachtungen. Aber egal wie ich es anfange, liegt ein grosses Problem darin, dass die Ideengeschichte der Begriffe, die ich benutzen will, nicht so ganz zu den beobachteten Phaenomenen hier passen will. Spreche ich von Armut meine ich nicht das, was sich mein (und euer) westlich gepraegtes Koepfchen dabei denkt. Genauso verhaelt es sich mit fast allem. Jaja ich weiss jetzt werden einige von Euch denken...Alter! Bloeder Kulturwissenschaftler – komm mal runter... aber tut mir leid - so siehts aus.

Ich versuche deswegen schon seit einiger Zeit nicht mehr wertende und beschreibende Notizen zu machen, sondern lediglich Anekdoten und Momente zu Papier zu bringen, die mir vielleicht in ihrer Quantitaet (und vielleicht auch Qualitaet ;-) zu Hause mit etwas Abstand betrachtet die Moeglichkeit geben allumfassendere Worte fuer all das hier zu finden.

Wir sind nach einer fast dreistündigen Busfahrt also am 29.09.2006 in der kleinen Provinzhauptstadt Monze angekommen. Nachdem wir alle Einkaeufe auf den Maerkten fuer die kommende Woche und den von uns mit 30 Farmern durchzufuehrenden Workshop zum Anbau von Maniok erledigt hatten, nahmen wir Kurs auf ein mitten im Busch liegendes Oertchen, das sich Kanchomba nennt, und in dessen unmittelbarer Umgebung das Kanchomba Farm Institute (KFI) liegt.

Das Institut ist sowas wie ein grosses Werbeareal fuer die Kleinbauern der Umgebung. Der Boss des ganzen (Mr Chisenga) liess es sich auch nicht nehmen mir noch im Dunkeln alles zu zeigen – selbst den Kaninchenstall. Die haben beim Anstrahlen mit meiner Taschenlampe einen Schreck fuers Leben bekommen glaube ich. Kurz umrissen kuemmert sich das KFI um die Promotion und Distribution von alternativen Nutzpflanzen. 90% der Farmer bauen Mais an, weil sie meinen das waere schon immer so gewesen. (Obwohl die Amis Anfang des 20. Jahrhunderts den erst nach Afrika importiert haben!) Dabei existieren viele verschiedene Pflanzen, die sich um Laengen besser eignen in dieser Region angebaut zu werden – zu mal sie weniger Aufwand beduerfen und sogar noch mehr abwerfen – im Bezug auf den Ernteertrag und auf den Verkaufserloes.

Die Farmer machen sonst auch noch ne ganze Menge anderer komischer Sachen – ich hab da Kuehe gesehen, bei denen man sich fragt welcher Vollidiot das Brandzeichen gesetzt hat. Macht sich naemlich nicht so guenstig, wenn man eine Ziffer wie die 8 oder die 6 waehlt bei der ein Zwischenraum entsteht, der dann – weil drumherum alles tief ins Fleisch hinein verbrannt ist – langsam beginnt zu faulen. Das klingt alles so, als ob hier alle bloed waeren, aber das ist zu einfach gedacht. Das Problem stellt in den meisten Faellen die traditionelle Verankerung und die mangelnde Bildung dar. Wenn der Grossvater das halt auch schon gemacht hat, wird das nicht wirklich hinterfragt. Nicht weil man des Hinterfragens nicht faehig ist, sondern weil man nie gelernt hat zu hinterfragen. Kleine Anekdote hier am Rande von denen ich schon einige sehr lustige gehoert habe. Einer der Workshop-Dozenten hat mir dir Sache mit der Weitergabe von Traditionen im afrikanischen Kontext in einer Art Witz erklaert:

„Eine Frau serviert ihrem Mann jeden Sonntag zum Mittag eine grosse Wurst auf einem Teller von der sie immer das hintere Ende abtrennt. Als der Mann sie nach vielen Jahren darauf zum ersten Mal anspricht, entgegnet die Frau ihre Mutter haette das auch immer gemacht. So geht der Mann also zur Grossmutter, um sich nach dem Grund fuer das Abschneiden des Wurstendes zu erkundigen. Die Grossmutter antwortet ihre Mutter haette das ebenfalls immer so gemacht. So geht der Mann also zur Urgrossmutter und fragt auch hier nach dem Grund. Die Urgrossmutter erklaert, dass der Teller ihres Mannes zu klein fuer die Wurst gewesen waere, weshalb sie immer ein Stueck abschnitt, damit die Wurst auch vollends auf den Teller passt. So kam also eines zum anderen.

Genau da setzte unser Workshop quasi auch an. Wie gesagt bauen fast alle Kleinbauern Mais an, weil es ihrer Meinung nach schon immer so gewesen sei. Die Wahrheit ist, dass im Hinblick auf das jahrzehntelang verfolgte Monokulturprogramm des Landwirtschaftsministeriums im Ein-Parteien-Staat Zambia waehrend der 70er und 80er Jahre sich fuer Mais ein gutes Infrastrukturnetz gebildet hat. Viele der konsumierten Nahrungsmittel basieren auf Mais und aller Orten hat man Zugang zum Marktmechanismus, der auch den entlegenst anbauenden Farmern den Absatz ermoeglicht. NGOs wie wir oder staatliche Einrichtungen wie das KFI versuchen andere Nutzpflanzen zu promoten. Wie bespielsweise Maniok – das hier Cassava heisst. Das ist weniger duerreanfallig, braucht generell nicht viel Wasser, laesst sich vom Mehl bis zum Oel vielseitig verwenden und wirft auch hinsichtlich Ernte und Verkaufserloes verglichen mit Mais mehr ab. Den aus unserem „Einsatzgebiet“ stammenden 30 Farmern sollte nun also in einem Workshop der Anbau, die Ernte, der Verkauf etc. von Maniok erklaert werden, um sie im Anbau zu schulen und sie somit fuer uns zu „Community Action Communicators“ zu machen, die dann wiederum in ihren Gemeinden das Gelernte an die oertlichen Farmer vermitteln. Das hat alles sehr gut geklappt und die Farmer waren alle sehr aufgeschlossen und voller Tatendrang hinsichtlich des Anbaus von Maniok.

Problem liegt derzeit darin, dass kein Geld da ist, um Saatgut zu kaufen. Ich werde mich also die naechsten Wochen darum kuemmern von hier aus eine Spendenaktion in Deutschland ins Leben zu rufen. Die Summe ist vergleichsweise laecherlich. Um den 30 Farmern noch vor dem Einsetzen der Regenzeit im Dezember das Saehen von Maniok auf einem Hektar zu ermoeglichen werden pro Farmer und Hektar 25 Euro benoetigt. Das macht bei 30 Farmern hochgerechnet ungefaehr 750 Euro und die sollten sich doch irgendwie auftreiben lassen. Zumal von diesem Hektar im naechsten Jahr Senker fuer weitere 10 Hektar gewonnen werden koennen und das die Einkommensverhaeltnisse einer ganzen Region nachhaltig veraendern duerfte. Ich hab ja in einem vorangegangenem anderen Eintrag von dem Teufelskreis aus HIV/AIDS, Arbeitslosigkeit, Drogenkonsum etc. gesprochen und dieser Ansatzpunkt mit dem Anbau von Maniok gibt zum einen Kapazitaeten zur Beschaeftigung sowie den Farmern die Moeglichkeit ihre Kinder vom Verkaufserloes vernuenftig zur Schule zu schicken. Das kann manchmal alles so einfach sein. 750 Euro... Wenn sich einer von Euch – ich mein wir haben ja auch fast schon Vorweihnachtszeit ;-) – angesprochen fuehlt und was beisteuern moechte, wuerde ich mich mehr als freuen und die Farmer erst recht. Schreibt mir einfach ne Mail – in Anbetracht der Gesamtsumme ist wirklich jeder kleine Betrag hilfreich.

So darum ging es also im ersten Teil des Workshops im zweiten Teil war dann eine Genderdiskussion geplant. Einige Polygamisten waren unter den maennlichen Workshopteilnehmern und ich war mehr als gespannt wie ihre Haltung zu den Dingen nach der zweitaegigen Diskussion und den Arbeitsgruppen ausfallen wuerde. Besonders interessant war eine Art Planspiel. Darin wurden die Workshopteilnehmer in eine maennliche und eine weibliche Gruppe geteilt und sollten aufschreiben wie in einer „normalen“ Familie bestehend aus einem Mann, einer Frau, einem Sohn und einer Tochter die Arbeitsteilung auf einer Farm vonstatten geht. Die einzelnen Arbeiten wurden in der Auswertung dann in produktive, reproduktive, gemeinschaftliche und freizeitbeschaeftigende Arbeiten eingeteilt. Fuer jede Arbeit wurden auf die einzelnen Familenmitglieder verteilt Punkte vergeben, so dass sich letztendlich ein ziemlich genaues Bild der Verteilung abzeichnen liess. Wenig ueberraschend war das Ergebnis.

Am Ende des Workshops sollten dann alle Teilnehmer kurz nach vorn kommen und kurz erklaeren was sie gelernt haben. Den Maniokanbau empfanden alle als eine spannende Sache und wuerden damit allzugerne sofort loslegen. Hinsichtlich der Genderdiskussion machten die Frauen darauf aufmerksam, dass sie sich wuenschten von den Maennern mehr Respekt entgegengebracht zu bekommen und einige Arbeiten besser verteilt sehen moechten. Die Maenner – und das war vom Ausgangspunkt der Diskussion betrachtet sehr ueberraschend – sahen die Problematik ebenfalls und erklaerten allesamt etwas zu aendern (siehe die Stichpunkte auf dem Ergebnis-Flipchart).

Drueber reden und wirklich handeln ist nicht das Gleiche aber wenn nur eine Handvoll Farmer beginnt umzudenken, kann der Workshop als Erfolg betrachtet werden.

Ich bin waehrend der Woche auch ne ganze Menge rumgekommen und habe mir die einzelnen Projekte der SAF angesehen. Von der Eselzucht (die Esel koennen von Waisen und Witwen ausgeliehen werden, um ihnen den Ackerbau zu erleichtern), einem Fischaufzuchtbecken und dem Besuch im „chief’s palace“ beim Chief Monze (Chief der Ethnie der Tonga fuer dieses Gebiet – also vergleichbar mit dem Ministerpraesidenten eines deutschen Bundeslandes J) – der leider nicht da war, sondern nur - weil patilinear – seine aeltere Schwester. (Wenn das Tom und Tobi lesen, lasst euch gesagt sein, dass ich zumindest manchmal das Gefuehl habe in unseren Seminaren bei Frau Arnold und Herrn Jones was in der Praxis Brauchbares gelernt zu haben) Ausserdem traf ich noch auf 3 junge Frauen, die gerne nach Deutschland wollen und mich gerne geheiratet haetten und war weiterhin Teil eines Tanzabends. Ja ich hab mitgetanzt und das fuehlt sich beim ersten Mal mehr als eigenartig an – das koennt ihr mir glauben - aber wenn man mit den Smiths einschlafen kann, geht das schon in Ordnung J .

Ich hoffe der Herbst macht Euch allen nicht all zu sehr das Leben schwer. Hier wird es mit jedem Tag etwas unertraeglicher und die Temperaturen bleiben zur heissesten Tageszeit nur knapp unter 40 Grad. Die Regenzeit stampft mit grossen Schritten auf mich zu und das kann noch was werden...

Diese Woche wird alles mit dem neuen Buero hieb- und stichfest gemacht, so dass wir Anfang naechster Woche einziehen koennen und ich mich ein wenig – basierend auf rudimentaeren Kenntnissen aus all den Einrichtungsshows im deutschen TV – mit dem Gemuetlichmachen beschaeftigen werde - Dann wie oben beschrieben das Geld zusammentrommeln und die anderen Aufgaben in Angriff nehmen von denen ich Euch ja schon berichtet habe.

Gehabt Euch wohl! Gruesst mir meinen geliebten Herbst. Ueber Post, Emails und Kommentare freut sich hier stets jemand sehr. By the way ist es ein wunderbares wenn auch eigenartiges Gefuehl mit EA80, Smiths, Morrissey, Sick of it All, Samiam und der neuen d.h. :-) auf dem mp3-Player durch Lusaka oder durch den Busch zu schlaendern. Die Reaktionen von zambischen Jugendlichen, die auch mal hoeren wollen und dann gerade bei Sick of it all’s inbruenstig vorgetragenem „F*** Disco; F*** Everything!“ sozusagen reinhoeren, sind jedesmal ein Fest. Kulturauftrag wird also auch wahrgenommen... keine Sorge...